Freitag, 8. Mai 2015

Der Grabenkampf um den Babyschlaf

Unter Eltern gibt es viele kontroverse Themen. Eines davon ist definitiv das Thema "Babys und Schlafen". Da gibt es die eine Eltern-Fraktion, die das Recht des Kindes und der Eltern  auf Schlaf betont und dem Kind z.B. mithilfe des Buches "Jedes Kind kann schlafen lernen" das Schlafen "beibringt", indem das Kind für bestimmte Zeitintervalle allein schreien gelassen wird. Nach dieser Zeit (zwischen 3 und 20 Minuten) wird es kurz getröstet, dann aber wieder allein gelassen.
Eigentlich wurde dieses Verfahren für Kinder ab 12 Monaten entwickelt und wird oft auch erst ab diesem Alter empfohlen. Dennoch wenden es viele, auch aufgrund des genannten Buches, schon ab 6 Monaten an.
Dieses Vorgehen wird inzwischen von vielen Seiten scharf kritisiert - es schade der Bindung des Kindes, seinem Urvertrauen und könne psychische Schäden verursachen.
Das durch Studien zu belegen nicht möglich, da immer auch andere Faktoren für psychische Störungen verantwortlich gewesen sein könnten.
Was aber auch ohne solche Studien klar ist
- Kleine Babys haben noch keine Objektpermanenz. Das heißt, wenn Papa den Raum verlässt, wissen sie nicht, dass er noch hinter der Tür oder im Wohnzimmer ist. Für sie ist er einfach "weg", was große Ängste auslösen kann. Wann genau sich diese Fähigkeit entwickelt, ist noch unklar, vermutlich irgendwann zwischen 4 und 8 Monaten.
- Auch Babys kennen Trennungsängste
- Die Fähigkeit, sich selbst zu beruhigen, entwickelt sich erst langsam
- Schreien bedeutet für Babys viel Stress
- Wenn Papa 5 min weg ist, dann wieder hereinkommt, 1 min tröstet, dann wieder verschwindet, nach 10 min wiederkommt usw., ist das für das schreiende Baby ein großes Wechselbad der Gefühle. Papa geht raus: Panik, Schreien! Papa ist weg: Noch mehr Panik, Angst, Wut, Schreien. Papa kommt wieder: Erleichterung, Hoffnung auf Trost und Beistand. Papa geht wieder weg: Wieder Panik ... usw.
Einige Autoren empfehlen deshalb sogar, doch lieber ganz draußen zu bleiben ("extinction"). Das kann aber bedeuten, das Baby stundenlang allein schreien zu lassen, wovon auch die Autorin des umstrittenen Buches "Jedes Kind kann schlafen lernen" deutlich ablehnt. Das Baby wird dann nämlich völlig allein gelassen und erfährt nicht, dass sich jemand kümmert, wenn es nach Hilfe schreit.
Wir können nicht wissen, ob ein zeitlich begrenztes Schreienlassen bei Babys anhaltende Schäden verursacht. Vermutlich ist das auch gar nicht so allgemeingültig zu beantworten. Die Resilienzforschung zeigt z.B., dass einige Kinder deutlich besser mit Stress oder beängstigenden Situationen umgehen können als andere. Welche Kinder zu welcher Gruppe gehören, ist oft, gerade in diesem Alter, nicht einschätzbar. Ich selbst kenne einige Kinder, deren Eltern so vorgegangen sind und mein Eindruck ist sehr unterschiedlich: Ein Teil der Kinder wirkt tatsächlich unausgeglichen und sehr schüchtern, wofür aber natürlich auch 1000 andere Faktoren verantortlich sein können. Und andere wirken fröhlich und zufrieden und machen erstmal nicht den Eindruck, als habe ihnen das begrenzte Schreienlassen geschadet.
Nicht zu leugnen ist aber, dass die Methode definitiv nicht "sanft" ist und für das Baby viel Stress bedeutet. Das Risiko, dass es unter größeren Verlassensängsten leidet, ist definitiv vorhanden. Und das ist zumindest Grund genug, nach besseren, sanfteren Methoden zu suchen.
Die andere Fraktion beim Streit zum Thema "Schlafen" ist sehr bedürfnisorientiert und betont das Bedürfnis des Babys nach Schutz und Nähe einer Bezugsperson. Das Familienbett wird praktiziert und Babys müssen gar nicht lernen, allein zu schlafen. Evolutionsbiologisch ist es auch nachvollziehbar zu begründen, dass Babys nicht gern allein schlafen - denn in der freien Wildbahn wären sie allein völlig schutzlos.
Was mich aber an dieser Sichtweise stört, ist, dass oft behauptet wird, das gemeinsame Schlafen löse alle Probleme. Baby im Bett, alle können schlafen, alles prima. Doch leider ist eben das nicht der Fall. Gerade diese Eltern berichten oft, dass ihre Babys alle 1-2 Stunden aufwachen und gestillt/getragen oder anderweitig beruhigt werden müssen. Das sei eben so, wird dann oft behauptet und da sehe ich eine gefährliche Tendenz zur Selbstausbeutung. Klar gibt es solche Phasen, aber so etwas über 1-2 Jahre durchzuziehen ist definitiv nicht gesund - Schlaf ist ein Grundbedürfnis! 
Ich habe mich oft hin- und hergerissen gefühlt zwischen diesen beiden Extremen. Ich möchte meinen Kindern alle Liebe und Zuwendung geben, die sich brauchen und ihnen keinesfalls unnötige Ängste zumuten. Andererseits ist mein Großer, bis er 2,5 J. alt war, in den meisten Nächsten alle 1,5 Stunden aufgewacht und hat geschrien - trotz Familienbett und viel Zuwendung. Auch meine Kleine ist eine schlechte Schläferin - und obwohl ich "die Lösung" bisher nicht gefunden habe, weiß ich, dass ich so eine Zeit wie bei meinem Sohn nicht noch einmal erleben will.
 Doch offenbar gibt es auch sinnvolle Mittelwege. Davon möchte ich im nächsten Post schreiben.

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