Montag, 21. November 2016

Kleinkinder und Eltern - zwei Welten prallen auf einander

Unsere Tochter ist schon länger in der Trotzphase, aber momentan ist es mal wieder besonders heftig. Alles wird zum Kampf - vom Anziehen bis zum Zähneputzen.
Mir hilft der Gedanke daran, dass ihr Gehirn noch in der Entwicklung ist und besonders die obere Gehirnhälfte, die für Vernunft zuständig ist, noch recht schwach und störanfällig ist, während das untere Gehirn, das von Gefühlen gesteuert wird, noch viel stärker ist.
Spannend finde ich aber auch, wie anders Kleinkinder ticken. Wo wir Erwachsenen immer hektisch sind, haben sie alle Zeit der Welt. Wo wir einen Stau sehen, staunen sie begeistert über die vielen Autos. Wo wir zwischen Arbeit und spiel unterscheiden und Arbeit natürlich immer wichtiger ist, ist für Kleinkinder die ganze Welt ein Spiel.
Und vermutlich erscheint unseren kleinen Wutknilchen das Verhalten von uns "vernünftigen" Erwachsenen manchmal auch ziemlich unsinnig ...
L.R. Knost verdeutlich hat das auf sehr amüsante Weise in einem fiktiven Dialog zwischen zwei Kleinkindern. Leider liegt das Buch nur auf Englisch vor, aber weil er mich so begeistert hat und auch in meinem neuen Buch eine Rolle spielen soll, habe ich ihn mal übersetzt:



Kleinkind 1: Du siehst ein bisschen aufgebracht aus, Kumpel. Hattest du einen harten Tag?

Kleinkind 2: Hart ist viel zu harmlos! Ich liebe meine Mami wahnsinnig doll, aber ehrlich, Sie hat KEINE Ahnung, wie man teilt. Ich habe eine Kleinigkeit aus ihrem Portmonnaie genommen und sie ist ausgerastet! Nahm es mir weg und rief: „Mein“ und das alles. Und das auch noch mitten im Geschäft! So was von peinlich. Jeder starrte mich an und rollte mit den Augen. Ich habe mich echt wie ein totaler Vollidiot gefühlt.

Kleinkind 2: Ich weiß, was du meinst! Ich habe genau das gleiche Problem. Und meine Mama mischt sich auch in ALLES ein! Zum Beispiel habe ich ein Knäckebrot unter dem Sofa versteckt, damit ich für später noch einen kleinen Snack habe, und sie schmeißt es einfach in den Mülleimer! Wer macht denn bitteschön so etwas?

Kleinkind 2: Das findest du schon schlimm? Dann hör mir mal zu. Ich kümmere mich um mich selbst, hänge einfach ein bisschen mit meinen Spielsachen ab und sie zieht mich einfach hoch, trägt mich weg und setzt mich in den Hochstuhl, ohne jede Vorwarnung. Und ich habe nicht mal Hunger! Dann regt sie sich tierisch auf, nur, weil ich ein paar Versuche mit dem Essen mache. Übrigens, es ist doch echt spannend dass es manchmal direkt runterfällt und manchmal gegen die Wand klatscht. Ich vermute, es hat etwas mit der Konsistenz des Essens und mit der Flugbahn, in der ich es werfe, zu tun. Also, das ist bisher meine Arbeitshypothese.

Kleinkind 1: Cool! Lass es mich wissen, wenn du mehr darüber herausfindest! Aber hör mal zu. Ich schaffe überhaupt nichts! Kein Scherz, ehrlich! Ich habe den ganzen Morgen lang dafür gebraucht, um diesen hervorragenden Turm zu bauen. Kumpel, den hättest du sehen müssen! Er war sagenhaft! Jedenfalls, ich laufe für eine Sekunde oder so weg und sie kippt das ganze Ding in die Spielzeugkiste! Die Arbeit eines ganzen Vormittags – weg. Ich weiß nicht, warum ich mir überhaupt solche Mühe gebe.

Kleinkind: Sehe ich ganz genauso! Und was soll dieses neue „Time-Out“-Zeug, was meine Mama plötzlich total toll findet? Ich rege mich ein ganz klein bisschen auf über irgend etwas und genau dann, wenn ich ein bisschen Kuscheln und Zuwendung brauche, setzt sie mich in diesen Stuhl und nimmt mich nicht mehr heraus. Als könnte dieser Stuhl mich in den Arm nehmen? Ganz ehrlich?

Kleinkind 1: Das ist sowas von falsch. Hey, was ist eigentlich mit dieser ganzen Töpfchen-Training-Angelegenheit? Sie will, dass ich mein Geschäft in eine Plastikschüssel mache. Aus diesen Dingern essen wir! Echt, man muss sich manchmal wirklich fragen, was in deren Köpfen vor sich geht.“

Kleinkind 2: Sei froh. Meine setzt mich immer wieder auf diese große weiße Vorrichtung, wo Wasser drin ist. Ich meine, ich könnte ertrinken! Und du solltest mal sehen, was passiert, wenn sie diesen Knopf oben drückt. Ich sag' nur: „Strudel des Todes“!

Kleinkind 1: Nicht cool, Kumpel, überhaupt nicht cool! Hast du auch schon mit Wutanfällen zu tun? Meine Mama hat eine Laune, das kannst du dir nicht vorstellen! Sobald sie mal ihren Willen nicht bekommt, bring' dich in Sicherheit! Sie kreischt herum und fuchtelt mit ihren Armen und stampft herum und, ich sage es echt ungern, aber sie hat angefangen, zu schlagen. Als wenn das irgendetwas besser machen würde. Ich habe keine Ahnung, wie ich mit diesen Aggressionsproblemen umgehen soll! Warum können die Erwachsenen nicht einfach so vernünftig sein wie wir?

Kleinkind 2: Ich vermute, es ist ein Kommunikationsproblem. Ich meine, sie fangen gerade ein ganz bisschen an, uns zu verstehen, wenn wir mit ihnen sprechen, deshalb versuche ich, etwas nachsichtig zu sein, wenn sie frustriert ist. Ich bleibe einfach nahe bei ihr, vielleicht klopfe ich ein wenig ihren Arm oder biete ihr ein Spielzeug an. Manchmal beruhigt sie sich dann ein bisschen und lächelt wieder, aber manchmal braucht sie auch noch etwas Zeit. Ich bleibe trotzdem präsent, damit sie weiß, dass ich immer für sie da bin.

Kleinkind 1: Ich fürchte, das vermasselst du, Kumpel. Du musst weggehen, geh' einfach weg und lass sie machen. Wenn du sie tröstet, wird sie erwarten, dass du ihr hilfst, ihre Emotionen zu regulieren und sie wird immer abhängiger von dir, glaube mir! Wenn sie ausflippt, musst du sie dazu zwingen, sie selbst zu kontrollieren.! Wenn sie bereit ist, vernünftig zuzuhören, dann könnt ihr wieder Freunde sein.

Kleinkind 2: Ich weiß nicht. Meine will einfach nicht zuhören. Ich kann dir nicht sagen, wie oft ich sie gebeten habe, mit mir zu spielen bis sie endlich mal von ihrem eigenen Spielzeug aufschaut. Wie ist das überhaupt mit Eltern und Medien? Und dann sagt sie nur: „Einen Moment noch, Schatz.“ Was genau ist eigentlich ein Moment?

Kleinkind 1: „Einen Moment noch!“, bedeutet: „Das hier ist wichtiger als du!“, Kumpel. Komm, sieh' es ein. Du musst dafür sorgen, dass sie dir Aufmerksamkeit schenkt! Schrei los. Wirf etwas weg. Beiß die Katze. Was auch immer nötig ist! Lass sie nicht damit durchkommen, dich so respektlos zu behandeln – sonst wird sie dich nie beachten!

Kleinkind 2: Einverstanden. Übrigens, wie gehst du mit Schlafproblemen um? Ich schaffe einfach nicht noch eine schlaflose Nacht! Sie hält mich stundenlang wach – jede, aber auch wirklich jede Nacht. Es fängt super an, Badezeit, Buch lesen und Kuscheln, aber dann haut sie einfach ab, als wäre ich irgendeine Art Spielzeug, dass man ausschalten kann, wenn es dunkel ist. Und Mann, es ist echt dunkel! Ich weiß nicht, was genau da in meinem Schrank wohnt, aber es ist gigantisch!

Kleinkind 1: Schlaftraining, Kumpel. Das ist die einzige Lösung. Wenn sie das Licht ausmachen und die Tür schließen, folgst du ihnen. Aber wirklich jedes Mal. Oder, wenn du zu viel Angst hast (kann ich voll verstehen), fang' einfach an zu schreien und hör' nicht mehr auf. Wenn du nicht schlafen kannst, sorge dafür, dass sie es auch nicht können! Und gib' nicht auf. Nicht ein einziges Mal. Wenn du sie einmal damit durchkommen lässt, bekommst du nie wieder Schlaf! Sie müssen lernen, dass es ihre Pflicht ist, sich tagsüber und nachts um dich zu kümmern – auch, wenn du nur eine umarmung braucht!

Kleinkind 2: Verstanden. Okay, da kommt sie. Ehrlich, hast du dieses Problem auch? Wir sind im Park. Alle haben Spaß. Und dann steht sie einfach ab und entscheidet, zu gehen. Ich glaube, sie hat irgendwelche sozialen Probleme. Ich denke darüber nach, sie testen zu lassen.

Kleinkind 1: Bei mir ist es genauso! Sie müssen lernen, dass es nicht immer nur um sie geht und es ist unsere Aufgabe, ihnen das beizubringen. Schau, da kommt meine auch schon. Sieh zu und lerne, Kumpel. Ich nutze heute die gekrümmte, wild um sich schlagende, wehklagende Variante. Tief einatmen und dann: „Nein! Nein! Neeeeiiin ...“

(Knost: The Gentle Parent, S. 22 f. Eigene Übersetzung)

Donnerstag, 27. Oktober 2016

Halloween - Gruselspaß oder bedenklich?

Feiern eure Kinder Halloween? Ich persönlich finde die Entwicklung, dass immer mehr Kinder Halloween "entdecken" ziemlich fragwürdig. Warum? Schaut mal hier:  http://style-pray-love.com/family-life/soulfood/warum-meine-kinder-kein-halloween-feiern
Kinderopfer, Verkleidungen, die Verbrechen als "lustig" verharmlosen und Belästigen von Nachbarn  ... ich teile die Ansichten des Artikels - wobei ich bei älteren Kinder wohl eher keine strikten Verbote aussprechen würde, aber schon erklären, warum ich Halloween nicht gut finde.
Statt die Nachbarn an der Tür zu nerven und Kindern mit "Trick or Treat" Erpressung beizubringen, kann man doch Alternativen wie eine Herbstparty anbieten - z.B. mit Kürbis schnitzen, Basteln mit Kastanien und Eicheln, einer kindgerechte Geschichte oder einem Playmobil-Spiel über den Reformationstag (das ist das eigentliche Fest an dem Tag) mit anschließenden Rätseln und Schatzsuche und lustigen Spielen .... und das Süßigkeiten einsammeln dann, wenn es denn unbedingt sein muss, mit Laternen und Liedern machen! Wie seht ihr das? Diskutiert gerne mit in meiner "Kindergarten-Gruppe" auf www.elternleben.de

Dienstag, 25. Oktober 2016

Geheimtipp: Neues Elternportal "ElternLeben"

Liebe Eltern, noch ganz frisch und neu ist das Portal "ElternLeben", das ich euch hiermit gern wärmstens empfehlen möchte. Im Gegensatz zu vielen anderen Onlineportalen für Eltern steht kein großes Unternehmen mit Werbeinteressen dahinter, sondern das Projekt "wellcome", welches junge Familien durch geschulte Ehrenamtliche im Alltag entlastet.
"ElternLeben" richtet sich an Eltern von Säuglingen bis zum Schulkind-Alter  - und dabei ganz bewusst auch an Väter! Es bietet neben informativen und angenehm zu lesenden Artikel eine Community mit ExpertInnengruppen zu Themen wie "Familienleben", "Leben mit Baby", "Schwangerschaft & Geburt", "Mutterrolle&Partnerschaft", "Vaterrolle & Beruf". Dort finden wir Eltern sowohl die Möglichkeit zum Austausch als auch dazu, kompetenten ExpertInnen Fragen zu stellen.
Schaut doch mal vorbei: www.elternleben.de

Sonntag, 16. Oktober 2016

Diese Woche kostenlsoe Schlafberatung bei babycenter.de!

Kostenlose Beratung zum Schlaf von Babys und Kleinkindern gewünscht? Ab morgen führe ich bis Freitag  bei babycenter.de einen Expertenchat durch, wo ihr eure Fragen stellt könnt: http://www.babycenter.de/thread/292193

Sonntag, 2. Oktober 2016

Die Frage nach dem Leid oder: Ist Gott allmächtig?

„Mama, kann Gott alles?“, fragte mein sechsjähriger Sohn mich neulich. Auch Kinder stellen sich diese Frage. Noch vor ein paar Jahren hätte ich wohl, ohne mit der Wimper zu zucken, mit „Ja“ geantwortet. Heute sehe ich das etwas anders. Heute klingt meine Antwort eher so: „Hm, einige denken, dass Gott alles kann und andere nicht. Wir wissen einfach nicht alles … das müssen wir Gott alles mal fragen, wenn wir beim ihm sind. Ich denke eher, dass er noch nicht alles tun kann, weil es in der Welt auch viel Schlechtes gibt und bisher kann er noch nicht alles Schlechte verhindern. Aber eines Tages wird er alles Böse besiegen und dann wird niemand mehr traurig oder krank sein oder Angst habe müssen. Und wir können mithelfen, das Gute in dieser Welt immer stärker zu machen, indem wir einander lieb haben und anderen helfen.“
Ich glaube also nicht mehr so an Gottes Allmacht, wie ich – und vermutlich auch ihr – sie vermittelt bekommen habe – und möchte euch gern kurz erklären, warum.
Immer wieder treibt uns die Menschen die Frage um: Warum lässt Gott so viel Leid zu? Dazu möchte ich wärmstens folgendes Büchlein empfehlen:
Harold Kushner: Wenn guten Menschen Böses widerfährt
In dem Buch thematisiert der Autor u.a. die Geschichte von Hiob, dem, obwohl er ein gottesfürchtiger, guter Mann war, großes Leid zustieß. Kushner stellt folgende Thesen auf:

„A: Gott ist allmächtig und bewirkt alles, was auf dieser Welt geschieht. Nichts kann ohne seinen Willen geschehen.
B: Gott ist gerecht und gütig und teilt den Menschen das zu, was sie verdienen, so dass es guten Menschen wohlergeht und Gottlose bestraft werden.
C: Hiob ist ein guter Mensch.“
(S.46)

- Die biblische Geschichte sagt deutlich, dass Hiob ein guter Mensch war. - C muss also stimmen.
- zu B: Einige Bibelstellen lassen anklingen, dass es oft erst so aussieht, als würde es Gottlosen sogar besser gehen. Die These, dass es guten Menschen immer gut geht, kann man also schon mal hinterfragen - aber nicht, dass Gott gütig und gerecht ist und es gut mit uns meint. Das ist eine christliche Grundannahme.
Doch wie passt diese Güte zu all dem Leid, wenn Gott es mit einem Fingerschnipsen beenden könnte?
Bleibt also noch These A ….

Das Hebräische kennt keinen Begriff für „Allmacht“ nur für „große Macht“. Das griechische Wort, das im Deutschen mit Allmächtiger übersetzt wird, heißt eigentlich „Allherrscher“ - ein Ehrentitel für Gott. Das passt zu dem, was die Bibel sagt: Gott hat alles geschaffen und ist König, Herrscher über alles. Doch auch der Herrscher eines Königreiches kann nicht per se alles tun, auch seine Macht ist begrenzt, wenn zum Beispiel Bewohner des Königreiches sich gegen ihn auflehnen. „Allherrscher“ heißt also nicht unbedingt „Allmächtiger“.

In der biblischen Schöpfungsgeschichte sagt Gott dem Menschen, er soll über die Tiere und Natur herrschen – Kushner zieht daraus folgende Schlussfolgerung: Gott hat einen Teil seiner Macht an den Menschen abgegeben, um ihm Freiheit und Eigenverantwortung zu ermöglichen.

Um Leid zu verhindern, müsste er Handlungen von Menschen verhindern und damit ihre Freiheit begrenzen. Das hängt eng zusammen mit der These vom „Freien Willen“, die auch oft zur rage nach dem Leid herangezogen wird.
Die Offenbarung prophezeit, dass Gott eines Tages alles unterwerfen und das Böse besiegen wird: Allherrscher könnte vor diesem Hintergrund eine Art Verheißungsbegriff für die Zukunft sein - das, was Gott sein wird, wenn sein Reich endgültig gekommen ist.
In der Offenbarung wird eine Schlacht zwischen Gut und Böse, Gott und dunklen Mächten beschrieben.Warum sollte so etwas nötig sein, wenn Gott schon jetzt alles bestimmen, jedes Problem lösen und alles Böse aufhalten könnte? Am Ende wird Gott das Böse besiegen – d.h., noch ist es nicht besiegt und noch wird es manchmal Oberhand bekommen. Das erklärt, warum das Leid in dieser Welt noch nicht verhindert werden kann. Und macht gleichzeitig Hoffnung, dass alle Tränen eines Tages getrocknet sein werden.

Kushner fragt am Ende seines Buches:„Bist du bereit, Gott zu vergeben und ihn zu lieben, auch wenn du erfahren hast, dass er nicht vollkommen ist [..] trotz der Grenzen, die auch ihm gesetzt sind, so wie auch Hiob ihm verzieh, und so wie du einst lerntest, deinen Eltern zu verzeihen, auch wenn sie nicht so weise, stark oder so vollkommen waren, wie du es gern gehabt hättest?
Und wenn du dies alles kannst – wirst du dann auch fähig sein, zu erkennen, dass Verzeihung und Liebe die Waffen sind ,die Gott uns gegeben hat, um ein erfülltes, tapferes und sinnvolles Leben in dieser unvollkommenen Welt zu leben zu können?“ (S. 139 f.)

Wie schon oben angedeutet: Ich weiß, dass ich nichts weiß. Keine Ahnung, ob Kushners und meine Gedanken letztlich dem entsprechen, was Gott wirklich ist. Aber ich finde diese Überlegungen hilfreich, weil sie eine logische Erklärung dafür bieten, wie man das Bild eines starken, liebenden Gottes mit all dem Dreck, der auf dieser Welt geschieht, vereinbaren kann.

Abschließend noch ein Auszug von Jürgen Kuhlmanns wertvollen Gedanken zu dem Thema:

„Unser winzigstes Gutes läßt er zuletzt im ewigen Licht erstrahlen, jede Bosheit aber - in uns wie um uns - wird er am Ende beschämen. Was man auf Erden heute über die Nazis denkt, ist nur ein schwaches Zeichen des Abgrunds an Schande, in den jede angemaßte Macht stürzen muß.
Allerdings ist dies eine Zuversicht des Glaubens. Zu wissen gibt es hier nichts. Wie damals im KZ, wie vor bald zweitausend Jahren auf Golgotha, spricht auch heute vielerorts der Anschein gegen das Gute. Und doch! Und doch bäumt die Hoffnung mit Recht sich auf. Jesu Todesstunden am Kreuz haben bei seinem Osterdurchbruch einen Raum eröffnet, wo auch die Millionen Auschwitzstunden und alles Gräßliche überhaupt Platz finden. Kein Seinskorn geht der Allmacht verloren, nicht für immer verwirft Gott die Seinen.
"Allmächtig" heißt also nicht, daß Gott alle Macht hätte und wir gar keine, sondern es bedeutet, daß alle irdische Macht sich - in Jubel oder Schande - der göttlichen Güte zuletzt beugen wird. Beten wir darum den Beginn des Credo mit christlichem Freimut. Nicht vor einem Allmächtigen uns ducken sollen wir, sondern eben weil zuletzt die Liebe herrscht, brauchen wir uns vor keinem zu ducken.
Das nimmt den ersten Satz der Bibel auf: Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Statt schuf könnte es auch schafft heißen; unsere Alltagssprache kennt keine Zeitform, die jene Gegenwart der Vergangenheit ausdrückt, die der biblische Erzähler meint. Besonders klar wird die Schwäche unserer Sprache bei Gottes abschließender Bewertung seines Werkes. Schon das Baby vernimmt ein gutes Zeichen im Kuß und Trostwort der Mutter. Wenn es nachts aufwacht und vor Schreck losweint, dann kommt die Mutter, nimmt es auf den Arm und tröstet: Nicht weinen, ist schon Alles gut. Das ist die Urform des Evangeliums. Stimmt dieser Satz? Ist wirklich alles gut? Oberflächlich gesehen: nein. Weiß die Mutter nicht, daß nebenan im Krankenhaus Menschen wimmern? Daß ein paar hundert Kilometer weiter der Bürgerkrieg eben jetzt ein Glück nach dem andern zerstört? Doch, sie weiß es und sagt trotzdem zu ihrem Kind: Ist schon Alles gut. Und hat recht, denn sie teilt die Einschätzung des Schöpfers: "Gott sah alles an, was Er gemacht hatte: Es war sehr gut" (Gen 1,31).
Dieser Satz enthält ein wunderbares Geheimnis. Im hebräischen Urtext bleibt nämlich offen, ob es um Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft geht. Das Sätzlein kann also auch heißen: Gott sieht alles an, was Er gemacht hat, es ist sehr gut. Oder: Gott wird alles ansehen, was Er gemacht haben wird, es wird sehr gut sein. Der Übersetzer steht vor einer im Grunde unlösbaren Aufgabe. Die übliche Fassung ist nicht falsch, denn es wird vom Ur-Anfang erzählt. Wahr ist aber auch: die Schöpfung ist noch nicht fertig, jeden Tag neu soll aus Chaos Sinn, aus tierischen Vorstufen reife Menschlichkeit werden. Und Gottes Ruhe nach der Schöpfung endlich, der siebte Tag ist noch gar nicht angebrochen. "Der siebte Tag werden wir selbst sein," sagt der hl.Augustinus [von Ernst Bloch zitiert]: Wenn der Schöpfer sein vollendetes Werk anblicken wird, dann sieht Er auch aus unseren Augen unsere erlöste Welt. Und das wird unser Ewiges Leben sein.“
http://www.stereo-denken.de/vater.htm

Samstag, 10. September 2016

Der alltägliche Skandal in der Geburtshilfe

Nur noch 8% der Geburten verlaufen ohne äußere Eingriffe
Dass die Kaiserschnittrate mit etwa 30% erschreckend hoch ist, ist inzwischen relativ bekannt. Doch wusstet ihr, dass nur noch 8% Geburten der ohne medizinische Interventionen wie PDA, Wehentropf, Dammschnitt usw. verlaufen (http://www.gesundheitsforschung-bmbf.de/de/4095.php)?
Für ihr Buch „Gewalt unter der Geburt“ hat die Soziologin Christina Mundlos mit Eltern, Hebammen und Hebammenschülerinnen gesprochen. Der Titel klingt zunächst irritierend – man denkt womöglich an schreckliche Einzelfälle wie Vergewaltigung o.ä. Doch die Autorin legt eine weitere Definition, nämlich die des anerkannten Friedensforschers Galtung, zugrunde.
Unter „Gewalt“ wird dabei u.a. verstanden:
  • nicht ernst nehmen, auslachen, beleidigen,
  • unter Druck setzen,
  • ignorieren, allein lassen
  • Missachten der Rechte der Gebärenden
  • verweigerte Schmerzmittel
  • nicht genehmigtes Verabreichen von Medikamenten,
  • unnötig viele und brutale vaginalen Untersuchungen,, unnötige und nicht genehmigte Damm- und Kaiserschnitte

    (http://www.netzwerk-frauengesundheit.com/gewalt-in-der-geburtshilfe-das-alltaegliche-verbrechen/)
Etwa 50% der Gebärenden in Deutschland erleben, so Mundlos, eine oder mehrere dieser Gewaltformen. Ihre Fragen werden ignoriert oder nicht ernst genommen, sie bekommen Mittel, ohne darüber aufgeklärt worden zu sein oder sie werden gedrängt, Eingriffen zuzustimmen, nur, damit die Geburt schneller verläuft. Dammschnitte werden noch immer viel zu oft (und nicht selten ohne Einwilligung der Frau) durchgeführt, obwohl inzwischen bekannt ist, dass natürliche Dammrisse in der Regel deutlich besser heilen. Und viel zu oft werden Babys sehr bald nach der Geburt unnötig lange für Untersuchungen von der Mutter getrennt.
Auch Hebammen und Hebammenschülerinnen berichten in dem Buch davon, wie sehr sie selbst unter dem Umgang mit Gebärenden leiden, der in Kliniken Routine ist.
Aufgrund von Zeitdruck und Personalmangel in Kliniken werden immer mehr Geburten eingeleitet, obwohl keine tatsächliche Notwendigkeit besteht. Viele Frauen empfinden eingeleitete Wehen als besonders schmerzhaft, was zu einer verstärkten Verabreichung von Schmerzmitteln führt. Das erhöht das Risiko für Nebenwirkungen und dafür, dass die Frau bei der Geburt schlechter pressen kann – weshalb häufiger Saugglocke, Zange der Kaiserschnitt nötig sind. Die Erfahrung zeigt: Eingriffe in den Geburtsvorgang erhöhen drastisch die Gefahr für weitere Eingriffe und verhindern in vielen Fällen eine sanfte, natürliche Geburt.
Eine Geburt ist eine Grenzerfahrung, während der Frauen besonders verletzlich und schutzbedürftig sind. Viele Frauen erkranken nach einem solch belastenden Geburtserlebnis an einer postnatalen Depression, welche sie und die gesamte Familie in eine schwere Krise stürzt. Beim Neugeborenen zeigt sich die Belastung oft in Unruhe, Schlafstörungen oder exzessivem Schreien.
Wichtig ist, dass Frauen sich bei Anzeichen einer postnatalen Depression therapeutische Hilfe suchen. Wenn euer Baby sehr unruhig ist, schaut doch mal in meine Tipps und auf Hilfen auf www.schreibabys.net
Neben Erlebnisberichten von Betroffenen und Fachleuten beinhaltet das Buch  Überlegungen zu gesellschaftlichen Veränderungen, die nötig sind, um die Situation zu verbessern. Außerdem erhalten werdende Eltern Tipps, wie sie gut informiert in die Geburt gehen können, um sich vor Gewalteinwirkung und Fremdbestimmung zu schützen. So müssen ÄrztInnen und Hebammen für Untersuchungen, Eingriffe und die Vergabe von Medikamenten die Einwilligung der Eltern einholen und dürfen nicht einfach über deren Kopf entscheiden.
Wenn ihr entsprechende Rechtsverletzungen während der Entbindung oder danach erlebt habt, dann wehrt euch dagegen und warnt andere! Fragt nach, ob es in der Klinik eine Patientenvertretung gibt oder wendet auch mit eurer Beschwerde an die Schlichtungsstelle der zuständigen Landesärztekammer. Wenn ihr dort nicht weiterkommt, können auch die Krankenkassen helfen.
Vielleicht habt ihr eine Rechtsversicherung, über die ihre euch über eure Möglichkeiten beraten lassen könnt oder ihr schaut mal auf den Internetauftritt des Medizinrechts-Beratungsnetzes (http://www.medizinrechts-beratungsnetz.de/).
Wichtig ist, dass Eltern, die selbst negative Geburtslerlebnisse hatten, ihr Schweigen brechen. Auf www.klinikbewertungen.de können Frauen und ihrer Partner, auch anonym, ihre Berichte veröffentlichen. So können sie andere werdende Eltern vor Kliniken, die das Wohl von Mutter und Kind nicht ernst nehmen, warnen und Druck auf diese Einrichtungen ausüben, die Situation zu verbessern.
Und holt euch selbst Hilfe, um das Erlebte zu verarbeiten! Habt keinen falschen Stolz vor einer Traumatherapie – die Verarbeitung einer schweren Geburt ist wichtig für euch und euer Kind! Ihr könnt Psychotherapeuten, die das anbieten, über das Internet suchen und müsst nicht einmal erst zum Hausarzt gehen. Viele Städte bieten auch Beratungsstellen mit Traumaberatung. Gute erste Hilfe bietet das Buch "Es ist vorbei - ich weiß es nur noch nicht" von Tanja Sahib.
Inzwischen schließen sich zunehmend Eltern zusammen, um sich gegen die Bedingungen in der Geburtshilfe zu wehren – z.B. in dem Verein „Mother-Hood“ (www.mother-hood.de).




Videoreihe über Schrei- und Schlafprobleme bei Säuglingen

Zum Thema "Schreibabys/Schlafprobleme von Babys" findet ihr viele hilfreiche Infos in meiner neuen Video-Reihe bei youtube: https://www.youtube.com/watch?v=NDSPgNgyIww

Montag, 29. August 2016

Schatz-Liste für werdende und frischgebackene Eltern

Ein Tipp für alle werdenden und jungen Eltern, die Infos rund um selbstbestimmte und natürliche Schwangerschaft, Geburt und wertschätzende und bedürfnisorientierte Erziehung suchen:
In der "Schatz-Liste" auf meiner Seite "Neue Wege" sammle ich wertvolle Bücher und Internetquellen zu diesen Themen. Schaut gern mal rein, teilt den Link und meldet euch, wenn ihr Ergänzungen habt:
http://neuewege.me/impressum.html

Freitag, 29. Juli 2016

Geheimtipps für Schwangerschaft, Geburt und Babyzeit - Workshop für Schwangere, ihre Partner und weitere Interessierte

Am 17.9.2016 biete ich in der Evangelischen Familienbildungsstätte Osnabrück einen Workshop für Schwangere, ihre Partner und weitere Interessierte an. Dabei werden wichtige Informationen und Tipps vermittelt (z.B. zu Sinn und Unsinn von medizinischen Interventionen, sanften Schmerzbewältigungstechniken wie Achtsamkeitsübungen, Ernährungsaspekten), die werdende Eltern stärken sollen, damit sie die Schwangerschaft und Geburt selbstbestimmt gestalten können.

Gerade in Zeiten immer schlechterer Personalausstattung in den Kliniken und immer weniger Hebammen, die Beleg- oder Hausgeburen begleiten, ist es wichtig, dass werdende Eltern gut informiert und selbstbewusst in die Geburt gehen.
Anmeldung und Infos unter  http://www.ev-fabi-os.de/index.php?id=88&kathaupt=11&knr=16H-300004

Sonntag, 12. Juni 2016

Kindergehirne ticken anders ... eine alternative Strategie zu Strafen

Im letzten Artikel habe ich begründet, weshalb Strafen in der Erziehung mehr schaden als nützen. Die logische Frage, die sich nach dieser Erkenntnis stellt: Was ist die Alternative?
Daniel J. Siegel und Tina P. Bryson stellen in ihrem Werk „Achtsame Kommunikation mit Kindern“ interessante Strategien vor.
Die Theorie: Die beiden AutorInnen berufen sich auf die moderne Gehirnforschung, welche den Einfluss der Gehirnentwicklung auf das Verhalten erforscht. Sie erklären beispielsweise, dass die untere Gehirn für Emotionen, Aggressionen und eher instinktives Verhalten zuständig ist, während die obere Gehirnhälfte planvolles, moralisches, „vernünftiges“ Verhalten steuert.
Während das untere Gehirn bereits bei der Geburt weit entwickelt ist, ist das obere Gehirn erst mit ca. 20 Jahren vollständig ausgeprägt.
Das bedeutet: Planvolles, überlegtes und moralisches Handeln ist für Kinder und Jugendliche deutlich schwieriger als für uns. Die Gehirnhälfte, die dafür zuständig ist, ist einfach noch längst nicht voll funktionstüchtig.
Dies erklärt zum Beispiel Trotzanfälle, kindlichen Egoismus, „unvernünftiges“ Verhalten im Teenageralter usw. Das bedeutet nicht, dass wir unangemessenes Verhalten einfach hinnehmen. Aber es hilft uns, zu verstehen, warum es Kindern oft so schwer fällt, sich „zu benehmen“.

Unsere Aufgabe als Erwachsene ist es daher nicht, unangemessenes Verhalten zu „bestrafen“. Worum genau geht es bei Disziplin?
Die eigentliche Bedeutung des Wortes ist „Lehre“ - wir wollen unsere Kinder also etwas über das Leben, über richtiges und zielführendes Verhalten lehren. Dies passt auch zu Siegels und Brysons Ansatz: Wir wollen unsere Kinder lehren, mehr und mehr das untere mit dem oberen Gehirn zu verbinden und nicht rein instinktiv und gefühlsgesteuert zu handeln.
Dabei müssen wir uns bewusst machen, dass stetige Rückschläge völlig normal sind – einfach, weil das untere Gehirn noch dominanter ist und angemesessenem Verhalten immer wieder einen Strich durch die Rechnung macht.
Behalten wir stets im Hinterkopf, was unser Ziel ist: Unseren Kindern etwas beibringen und sie darin fördern, ihr oberes Gehirn zu aktivieren. Strafen führen dabei, wie mein letzter Artikel gezeigt hat, selten zum Ziel.

Wie können wir nun das obere Gehirn unserer Kinder in seiner Entwicklung fördern? Zwei Schritte, die die AutorInnen nennen, möchte hier kurz aufführen:

  1. Begegnen und verbinden: Bevor wir unser Kind lehren (z.B. erklären, warum wir sein Verhalten nicht okay finden), verbinden wir uns emotional mit ihm. Nur wenn eine Verbindung steht, ist es aufnahmefähig für unsere Botschaft. Wir appellieren also nicht direkt an das obere Gehirn, sprich, an die Vernunft, z.B. „Reiß dich doch mal zusammen! Überlege dir, welche Folgen das haben wird!“, sondern gehen zuerst auf die emotionale Ebene, weil dort, im unteren Gehirn, gerade der „Sturm tobt“. Das kann z.B. durch eine Umarmung, eine freundliche Berührung und/oder ruhiges, einfühlsames Sprechen erfolgen. Wir können fragen, was genau gerade los ist, um zu signalisieren: „Ich nehme deine Gefühle ernst!“ Manchmal hilft es auch, selbst die Emotionen des Kindes in Worte zu fassen, z.B.: „Du bist gerade ziemlich wütend auf deine Schwester, hm?“ Wenn Kindern in ihrer Wut sich selbst oder andere in Gefahr bringen bzw. verletzen, müssen wir sie natürlich erstmal daran hindern bzw. aus der Situation herausbringen.
  2. Umleiten: Erst, wenn das Kind nicht mehr so aufgewühlt ist, ist es sinnvoll, sich an das obere Gehirn zu wenden – also zu kritisieren, begründen, ermahnen, usw. Das Kind hat sich nun ein wenig beruhigt und fühlt sich durch unser Verständnis angenommen – eine notwendige Basis, um offen für unsere Botschaft zu sein. Dann können wir an seine Vernunft appellieren, erklären, warum sein Verhalten falsch ist oder, warum wir etwas verbieten. Hier sind auch klare Worte gefragt und Ich-Botschaften sowie Kompromissvorschläge hilfreich (z.B.: „Ich bin müde und kann deswegen nicht noch mit dir schwimmen. Weißt du, meine Arbeit war heute sehr anstrengend. Aber wir wäre es mit einer Runde Kartenspiel und dann gehen wir morgen schwimmen?“)
Die AutorInnen nennen noch viele weitere nützliche Strategien, die den Rahmen hier sprengen würden.
Manch einem mag dieses Erziehungsverhalten zu „weich“ vorkommen. Andererseits zeigt mir der Blick auf die Kinder von Eltern, die Strafen einsetzen, dass diese sich in der Regel auch nicht besser „benehmen“.  Das Modell von Siegel und Bryson liefert, wie ich finde, eine nachvollziehbare wissenschaftliche Begründung dafür, warum unsere Kinder trotz unserer Bemühungen so oft „nicht hören“ oder ausflippen – und liefert zusätzlich wertvolle Hinweise, wir wir damit umgehen können und unseren Kindern helfen können, mit Frust und Grenzen immer besser umzugehen.

Sonntag, 29. Mai 2016

Strafe muss (nicht) sein!? Warum Strafen in der Erziehung sinnlos und schädlich sind.

Kinder sind wunderbar - und können uns doch immer wieder zur Weißglut bringen. Vor allem, wenn sie schon wieder wegen (aus unserer Sicht) Nichts und wieder Nichts ausrasten oder die Erzieherin mich schon wieder zur Seite nimmt, weil mein Kind nicht gehört hat oder ein anderes Kind gehauen hat,  und so weiter und so fort - ich denke, ihr wisst, wovon ich rede ...

Die Alltags-Pädagogik sagt: "Strafe muss sein!" Oder eben Konsequenzen, aber die sind oft auch nur Strafen. Klar, manchmal ergeben sich wirklich natürlich Konsequenzen, aber oft genug ist das nicht der Fall.
Strafen und die meisten Konsequenzen haben jedoch erheblich Nachteile. Einer davon: Sie wirken oft nicht. Jesper Juul nennt dazu ein treffendes Praxisbeispiel:

"Es gab da mal eine Szene mit einem Zweijährigen, der eine kleine Schwester bekommen hatte und ihr gegenüber aggressiv wurde. Nach zweimal Time-out ging dieser Junge zu seiner Schwester, machte genau, was er nicht durfte, und ging dann von allein ins Badezimmer – zum Time-out. Der hatte gelernt, wenn er sein Time-out nimmt, kann er’s ja machen" (http://www.zeit.de/2010/09/Jesper-Juul/seite-4).

Alfie Kohn nennt in seinem Buch "Liebe und Eigenständigkeit" weitere negative Aspekte von Strafen, z.B.:

- Bestrafte Kinder fühlen sich gedemütigt, was Wut und Rachegefühle auslöst. Auch die Beziehung zu den Eltern, die mal liebevoll und freundlich sind und dann absichtlich Leid zufügen, wird belastet.

-  "Die Lektion, die wir im Sinn hatten, als wir die Kinder bestraften („Tu x nicht noch einmal“), lernen Kinder vielleicht und vielleicht auch nicht. Doch ganz gewiss lernen sie, dass die wichtigsten Menschen in ihrem Leben, ihre Vorbilder, Probleme zu lösen versuchen, indem sie Macht anwenden, um den anderen unglücklich zu machen, damit er gezwungen ist zu kapitulieren" (Kohn, http://www.arbor-verlag.de/%E2%80%9Edas-ist-nicht-fair-ihr-seid-so-gemein%E2%80%9C)

- Je älter unsere Kinder werden, desto mehr Freiräume haben sie, sich unseren Strafen zu entziehen, d.h, Strafen verlieren mit der Zeit ihre Macht und Wirkung.

- Strafen bewirken in der Regel nicht, dass ein Kind wirklich einsieht, dass sein Verhalten falsch war. Meist führen sie nur zu Wut und dazu, dass das Kind das bestrafte Verhalten in Zukunft besser verheimlicht. Es hat dann nicht gelernt, dass sein Verhalten falsch war, sondern, dass es sein Verhalten besser vor den Eltern verstecken muss.

 - Strafen schwächen das moralische Verhalten von Kindern: Wir meinen oft, wir müssten strafen, damit Kinder sozialer handeln. Doch das Gegenteil ist der Fall: Je mehr wird strafen (und loben!), desto mehr konzentrieren sich die Kinder auf die Folgen, die ihr Verhalten auf sie selbst hat: Welche Strafe riskiere ich, wenn ich zuschlage? Werden meine Eltern mich loben, wenn ich jetzt meiner Schwester helfe? Sie wägen also zunehmend den eigenen Nutzen bzw. Schaden ab, statt ihre Moral zu entwickeln und zu lernen, sich in andere hineinzuversetzen und Rücksicht auf sie zu nehmen.

In den nächsten Blogs möchte ich darauf eingehen, was mir mit Disziplin eigentlich erreichen wollen und, welche sinnvollen Alternativen zu Strafen es gibt.

Freitag, 15. April 2016

Fortbildung für pädagogische Fachkräfte und Tageseltern

Gern möchte ich zu meiner Fortbildung am 23.4. zum Thema "Umgang mit belasteten Kindern und Familien" in der ev. Familienbildungsstätte Osnabrück, 9-16:00 Uhr, einladen.
Sie richtet sich an pädagogische Fachkräfte in Kitas, Familienzentren und Schulen sowie Tagesseltern
In Kitas und Schulen begegnen pädagogische Fachkräfte immer wieder Kindern, die aus verschiedenen Gründen besonders belastet sind.
In dieser Fortbildung wird Grundwissen über unterschiedliche Belastungsformen vermittelt - vor allem chronische Erkrankungen,Trauer, Regulationsstörungen der frühen Kindheit, Scheidung und psychisch kranke Eltern.
Auf lebendige Weise werden Handlungskompetenzen für den konkreten Umgang mit den Kindern und Familien dargestellt. Durch Informationen über Hilfsmöglichkeiten, an die weitervermittelt werden kann, sowie Gesprächstechniken wird außerdem der Erwerb von Beratungskompetenzen unterstützt.
Kosten: 49,50.
Anmeldung unter  http://www.ev-fabi-os 0541 505 30-0.de/index.php?id=21&kathaupt=11&knr=16F-240012 bzw.  0541 505 30-0.

Samstag, 13. Februar 2016

Nur ein kleiner Klaps? Gibt es harmlose Gewalt in der Erziehung?

Eine Studie von 2012 hat gezeigt, dass immer noch viele Eltern einen "Klaps" für ein legitimes Erziehungsmittel halten ( http://www.zeit.de/gesellschaft/familie/2012-03/erziehung-eltern-schlaege).
Nach einem Gespräch mit einer Freundin (die ich sehr schätze!) zur Frage, ob ein Klaps auf den Finger zur Erziehung von Kleinkindern okay ist, habe ich mich näher mit dem Thema befasst.
Das deutsche Gesetz schreibt ganz klar das Recht von Kindern auf eine Erziehung ohne jegliche Gewalt vor. Dazu gehört auch ein Klaps. Und das ist richtig so, finde ich, denn:

- Wenn die Eltern einen Klaps geben oder anders körperlich bestrafen, vermitteln sie die Botschaft: Gewalt ist ein legitimes Mittel, um Konflikte zu lösen - Studien belegen, dass Kinder, die mit körperlichen Strafen erzogen wurden, aggressiver sind als Gleichaltrige, die ohne Gewalt erzogen wurden (http://www.welt.de/gesundheit/psychologie/article127537905/Wie-geschlagene-Kinder-aggressiver-werden.html)
- Geschlagen zu werden weckt früher oder später einen Vergeltungswunsch - das Kind erlebt sich als der Schwächere, der gedemütigt wird und wartet auf den Tag, an dem es selbst  der Stärkere sein kann (Machtkampf)
- Jegliches absichtliches Zufügen von Schmerzen bedeutet einen Vertrauensbruch: Eltern sind eigentlich die "Guten", die das Kind vor Negativem beschützen - und plötzlich fügen sie gewollt Schmerzen zu (das gilt auch für einen kaum schmerzenden Klaps, denn die Absicht zählt)


Wer sein Kind mit Gewalt erzieht, lehrt es das Recht das Stärkeren. Dazu ein Zitat von Dr. Alice Miller:
"Die einzige Lehre, die das Kind erhält, ist, dass es richtig ist, einem schwächeren Wesen Leid zuzufügen, wenn es einen ärgert. Es gibt keine harmlosen Ohrfeigen und Klapse, beide Formen der Gewaltanwendung bedeuten eine Demütigung, einen Missbrauch der Macht, und schädigen das gesunde Selbstwertgefühl des Kindes, das wie jeder Mensch das Recht auf das Respektieren seiner Würde hat" http://www.rabeneltern.org/index.php/wissenswertes/elternsein-wissenswertes/1242-warum-es-keinen-harmlosen-klaps-gibt
Ich möchte damit niemanden verurteilen. Auch ich habe meinen Sohn im Affekt schonmal härter angefasst, als es gut gewesen wäre. Und es kann einfach passieren, dass Eltern emotional so überfordert sind, dass sie Gewalt anwenden - obwohl sie das nie wollten. Das macht sie nicht zu schlechten Eltern. Die Frage ist, wie man solch ein Verhalten bewertet. Wenn so etwas passiert, gilt es, sich bei dem Kind zu entschuldigen und zu erklären, dass das überhaupt nicht in Ordnung war. Das ist etwas ganz anderes, als wenn man solche Erziehungsmittel im Sinne von "Das hast du verdient, so wie du dich benommen hast!" rechtfertigt.
Gewalt ist also nie harmlos, auch nicht in Form eins "kleinen Klapses". Und wir brauchen sie auch nicht, um zu erziehen. Ich empfehle dazu schonmal das Buch "Gewaltfrei, aber nicht machtlos" von Maria Neuberger-Schmidt und hoffe, es demnächst etwas ausführlicher vorstellen zu können.