Donnerstag, 16. Februar 2017

Darf man Kinder anschreien? Und wie schaffe ich es, weniger zu schreien?

Über körperliche Gewalt habe ich ja hier schon geschrieben und vermutlich werden die meisten mir darin zustimmen, dass die in der Kindererziehung überhaupt nichts zu suchen hat. Doch wie ist das eigentlich mit verbaler Gewalt bzw. ganz konkret mit dem Anschreien von Kindern?
Ich persönlich muss zugeben, dass ich in den letzten Monaten recht oft geschrien habe. Das Leben war stressig, vieles lief chaotisch, es mussten schwierige Entscheidungen getroffen werden - und dann auch noch dieser unglaubliche Trotz unserer kleinen Tochter! Sie hatte wirklich Wochen, in denen ich bis um 7:30 Uhr morgen schon fünf bis sechs Wutanfälle gezählt hatte. Und meistens geht es dabei um Dinge, die sie nicht will, die aber einfach nötig sind - zum Beispiel Wickeln, Zähne putzen, Waschen, Anziehen, Anschnallen im Auto ...
Diese Total-Verweigerung dieser notwendigen Aktivitäten durch wildes Strampeln und Wegdrücken (meine Güte, wie stark diese kleinen Menschen sein können!) hat in mir eine ganz große Hilflosigkeit geweckt. Ich wollte meine Kleine nicht mehrmals täglich festhalten und in ihre Jacke zwingen oder irgendwie versuchen, das Kind trotz wütend strampelnder Beine und Arme zu wickeln. Aber ich wollte auch nicht, dass der Po meiner Tochter schon wieder wund wird! Oder, dass wir zu spät kommen. Oder, dass sie Auto fährt, ohne angeschnallt zu sein .. ich versuchte es mit Ankündigungen, damit sie sich drauf einstellen kann, mit ablenkenden Liedern, Geschichten ... aber meist brachte das gar nichts. Und dann wurde aus der Hilflosigkeit Wut: Es kann doch nicht sein, dass diese kleiner Mensch, für den ich ohnehin so viel mache, mich dermaßen tyrannisiert! Das muss ich mir nicht bieten lassen!
Sie festhalten und zu dem, was gerade anlag, zwingen zu müssen, fühlte sich an wie Gewalt - tatsächlich schrie sie oft "Aua!" und es ist ja auch wirklich schmerzhaft, gegen den eigenen Willen festgehalten zu werden. Und dass sie mich in diese Situation brachte, führte dann sehr oft dazu, dass bei mir eine Sicherung durchbrannte und ich sie zornig und fluchend anschrie. Mein Sohn war dann auch oft ganz erschrocken und versuchte, seine Schwester zu überzeugen: "Benimm' dich doch! Dann muss Mama auch nicht so böse sein!" Das machte mich traurig, denn ich möchte nicht, dass meine Kinder mich als "böse" wahrnehmen.
Sicher gibt es Situationen, in denen es nicht ohne Schreien geht. Zum Beispiel, wenn Kinder in Gefahr sind und man schnell ihre Aufmerksamkeit erregen muss. Und manchmal, wenn Kinder sich absolut daneben benehmen, kann es auch authentisch sein, zu schreien. Doch das sollte die Ausnahme und nicht die Regel sein.
Studien weisen darauf hin, dass das häufige Anschreien von Kindern diesen schadet und sogar vergleichbare Auswirkungen haben kann wie körperliche Gewalt (geringerer Selbstwert, depressive Stimmungen, verstärkte Aggressivität, etc.) (http://www.todaysparent.com/family/parenting/yelling-at-kids/). Das zu lesen, machte mir deutlich: Ich will nicht mehr ständig schreien! Auch wenn meine Wut völlig nachvollziehbar ist - ich will lernen, anders damit umzugehen!
Glücklicherweise stieß ich auf Sheila McCraiths Buch "Yess less, love more". Nächste Woche erscheint es auch auf dem deutschen Markt unter dem Titel "Erziehen ohne auszurasten". Es handelt sich um ein alltagstaugliches 30-Tage-Programm, in denen Eltern alltagspraktische Tipps und Strategien kennen lernen, besser mit Wut umzugehen. Das sind körperliche, teils auch etwas verrückte Alternativen wie in die Hände klatschen um "Energie umzulenken" oder in Schränke oder Toiletten zu brüllen (hab ich noch nicht versucht, aber soll hilfreich sein ;)) statt in das Gesicht des Kindes, aber auch kleine Denkübungen, die helfen, das eigene Verhalten umzulenken. Und tatsächlich gelingt es mir seitdem viel öfter, meine Kinder nicht anzuschreien. Ich kann das Buch wärmstens empfehlen!

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